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Zyklen

🪶Drei Stimmen – eine Wahrheit

Das Triptychon „Im Innern der Wege“ greift zentrale Motive
aus der griechischen Mythologie auf und deutet sie neu.
Es liest den Mythos nicht als Heldensaga, sondern als inneren Weg.

Theseus als Suchender,
Ariadne als Schöpferin eines neuen Fadens,
das Labyrinth als Stimme der Tiefe.

Wer den Faden hält, trägt Verantwortung –
zuerst sich selbst gegenüber.


I. Theseus – Der Suchende

Ich trage den Namen
wie eine Rüstung.
Held
hieß es,
doch ich irrte
durch Hallen aus Zweifel.

Sie reichte mir
den Faden,
als ob es Hoffnung gäbe.
Ich nahm ihn –
nicht aus Liebe,
nur aus Not.

Ich ging
immer tiefer.
Der Schatten kam näher.
Ich nannte ihn Monster –
und war es selbst.

Ich habe gesiegt,
sagten sie.
Aber ich verließ sie
am Morgen
eines neuen Anfangs.

Der Faden?
Er liegt
in meiner Hand –
gerissen,
wie ihr Blick.




II. Ariadne – Die Zurückgelassene

Ich wartete
nicht auf Ruhm.
Ich wartete
auf ein Zeichen.
Einen Blick zurück.

Er nahm
was ich ihm gab:
Faden, Herz, Vertrauen.
Doch die Insel,
auf der ich blieb,
sprach keine Sprache
für den Schmerz.

Der Wind
trägt Geschichten von ihm,
doch nie
kommt ein Wort
zu mir zurück.

Ich spinne
neue Fäden –
nicht für Helden,
sondern für jene,
die bleiben
und nicht
vergehen.

In meinem Schweigen
liegt das Muster
des Auswegs.
Aber niemand
fragt mich danach.



III. Das Labyrinth – Die Stimme der Tiefe

Ich bin
kein Feind.
Ich bin Erinnerung.
Struktur
für das,
was ihr nicht sehen wollt.

In mir
verliert ihr
nicht die Richtung –
ihr findet nur
die Wahrheit.

Meine Wände
sind aus euch gebaut.
Ich wiederhole
was ihr nicht hören wollt.

Diese Stille
gehört euch.
Der Schatten
ist kein Tier –
er ist das,
was ihr im Licht
verdrängt.

Ich bin
kein Gefängnis.
Ich bin der Ort,
an dem ihr
euch selbst begegnet.

Nur wer liebt,
nicht flieht,
trägt den Faden
ins Freie.

Nachhall

Die alte Sage zeigt eine moderne Wunde: Sieg ohne Verantwortung bleibt Flucht.
Ariadnes „neuer Faden“ ist kein Werkzeug für Helden, sondern ein Muster für Heilung.
Und das Labyrinth? Kein Irrgarten – ein Wahrheitsraum.
Wer ihn betritt, kommt nicht als derselbe heraus.