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Zyklen

🪶Scherbenhaufen meiner Seele

Dieses Werk ist eine Wanderung durch innere Stimmen,
geformt im Atem des Mythos, getragen von der Stille zwischen den Worten.

Jede Stimme ist ein Monolog – ein Zwiegespräch mit dem eigenen Ursprung,
ein Versuch, den Faden zu finden, der uns durch das Dunkel trägt.


Vorwort

Ich schreibe, als ginge ich durch ein Labyrinth, dessen Mauern aus Sprache bestehen.
Manche Wände sind durchlässig, manche aus Stein, manche tragen das Echo meiner Schritte.
Ich folge den Stimmen, die mich rufen – nicht laut, sondern wie Wasser, das unter der Erde fließt.

Jede Stimme kennt ihren eigenen Weg. Manche führen zurück, manche tiefer, manche in einen Raum,
den man nur einmal im Leben betritt. Es ist ein Gang ohne Karte, und doch glaube ich, dass jeder,
der ihn geht, sein eigenes Zentrum finden wird.

Stimmen de Zyklus – Dramaturgischer Überblick:

🕊 Stimme I – Die Stimme des Beginns
Blankversiger Monolog in direkter Konfrontation mit dem lyrischen Ich –

🕊 Stimme II – Die Stimme der Erinnerung
Blankversiger Monolog als Rückkehr in die eigenen Schatten –

🕊 Stimme III – Die Stimme des Anderen
Blankversiger Monolog in stiller Anklage gegen das lyrische Ich –

🕊 Stimme IV – Die Stimme des Übergangs
Blankversiger Monolog als stiller Abschied an das lyrische Ich –


Stimme I

Scherbenhaufen meiner Seele

Am Rand des ersten Schritts.

Kein Märchen war’s. Und keine Lüge tröstet.
Die Wahrheit schweigt, doch sie verlässt mich nicht.
Das Leben gleicht dem Spiel aus Dunst und Schatten –
ein leeres Stück, gespielt für keinen Blick.

Die Tage liegen wie zerschlagne Gläser
am Grund der Zeit. Die Seele tritt hinein.
Die Bilder, die sich einst im Geist verfingen,
verblassen nun im Nebel des Geschehens.

Ich irre durch die Nacht, die ohne Namen
sich an den Fensterscheiben meines Selbst entlang
dehnt. Beschlagen, blind, wie meine Augen
versperren sie den Weg zurück zu mir.

Was einst sich formte, löst sich nun in Staub.
Was sprachlich war, bleibt stumm im Zwischenraum.
Der letzte Strohhalm sank, vom Wind getragen,
ins bodenlose Schweigen meiner Zeit.

Zu oft gedacht, zu selten klar geblickt –
ich folgte einem Weg, der keiner war,
verlor mich selbst in Pfaden ohne Richtung,
die wie verwachsene Gedanken enden.

Der Horizont – ein Schatten fremder Zukunft,
ein flüchtiges Bild aus längst vergangner Zeit.
Was einst geglaubt, verdorrt nun in der Kälte
der Tage, die nur scheinen, nie mehr glühen.

Ich trage Schuld wie Steine in den Taschen.
Und jedes Nicht-Ergriffene wird schwer.
Ich bin ein Irrläufer im Labyrinth,
das nur mich kennt und keinen Ausgang mehr.

Die Fenster schwitzen meine alten Namen.
Die Wege schließen sich mit trübem Glas.
Und was ich einst in mir zu retten suchte,
verblasst nun auch – und bleibt nicht einmal Schmerz.

Stimme II

Die Stimme der Erinnerung

Und doch war Licht in jenem ersten Raum.

Ich öffne Türen, die längst zugeschlagen.
Ein Flackern fällt durch staubverhangenes Glas.
Ich atme Luft, die süß nach Früher riecht,
nach feuchter Erde, Regen auf dem Stein.

Ein Stuhl steht schief. Das Tuch am Tisch zerknittert.
Der Schatten meiner Mutter auf dem Flur.
Ein Lachen, das wie Echos durch mich fährt –
aber es war nicht heut, nicht mehr, nicht jetzt.

Ich weiß, ich war dort. War ein Teil von allem.
Die Wände kannten mich. Ich war ein Name.
Doch jedes Bild zerfällt, je mehr ich greife.
Je näher ich mich neige, wird es Staub.

Ein Kinderbild. Der Rahmen schief, beschlagen.
Die Augen fremd. Sie könnten meine gewesen sein,
vielleicht in einem Leben, das nie begann –
und dennoch Erinnerung trägt.

Ich streife durch das Halbdunkel des Frühen.
Die Stimmen meiner Toten singen leise.
Sie kennen mich. Sie flüstern meinen Ruf.
Ich verstehe sie kaum noch, nicht mehr ganz.

Ein Brief. Vergilbt. Die Tinte blass verwischt.
Die Worte fremd. Ich lese sie, als wären
sie nicht an mich. Als wär ich nie gemeint.
Und dennoch: Irgendwo tut etwas weh.

Ich such nach einer Wahrheit, die mich hielt.
Nach einem Halt, der mich beim Namen nennt.
Doch nichts bleibt stehen. Alles schiebt sich fort
wie Nebel auf dem See in frühem Licht.

Und ich, der dies durchwandert – bin nicht mehr
als Staub auf einer Scheibe alter Gläser.

Stimme III

Die Stimme des Anderen

Die unausgesprochene Last


Du schweigst dich wund – als wäre Schweigen Tiefe.
Doch nichts an dir ist tief. Nur ungeklärt.
Du nennst es Schmerz. Ich nenn es Selbstbetrug.
Du hältst dich fest an Staub und toten Namen,
als wär Erinnerung ein Heimersatz.

Du warst nicht stets gebrochen. Du warst jung.
Du hast gelacht. Hast Dinge falsch gemacht.
Doch nie genug, um solch ein Grab zu schaufeln.
Du gräbst dich ein in deinen eignen Blick
und wunderst dich, dass keiner mehr dich sieht.

Du flüchtest in das Dunkel, das du malst,
beschuldigst Zeit, das Leben, Schattenrisse –
doch wann warst du zuletzt ein Teil davon?
Du ziehst dich raus, bevor dich jemand hält,
und sagst dann: „Seht, wie niemand sich bemüht.“

Ich bin der Teil, den du zurückgelassen.
Die Stimme, die du nie mehr hören wolltest.
Ich bin das Echo deiner alten Stärke.
Ich war das Licht. Jetzt bin ich deine Schuld.

Doch glaub mir, selbst die Schuld hat keine Lust
auf dich, wenn du sie so zum Altar hebst.

Stimme IV

Die Stimme des Übergangs

Jenseits der Schwelle,
letzter Halt vor dem Verstummen.

Unerklärliche Angst – sie hält mein Herz,
als gäbe es kein Morgen mehr zu finden.
Die Luft ist schwer, in schwarze Trauer gehüllt,
ein Mantel, der mich würgt und enger zieht.

Die Straßen leer, das Licht ist ausgebrannt,
kein Laut, der meine Fragen wiederholt,
kein Blick, der mir ein Angesicht zurückgibt –
nur Fenster, blind wie Augen ohne Schlaf.

Nichts regt sich mehr. Die Vögel schweigen still
wie lange Zeit verschlossene Geständnisbriefe.
Die Wolken flohen, und jede Weite liegt
erstickt unter dem Himmel ohne Tiefe.

Echos verhallen aus verlassenen Räumen,
in denen Hoffnung einst gewohnt hat,
und Träume treiben, scharf wie Glassplitter,
durch Korridore meines kalten Innern.

Die Stimmen flüstern mir von einem Gestern,
das stehen blieb – so still und gnadenlos
wie jener Blick kurz vor dem Erwachen,
der alles tilgt und nichts zurückbehält.

Pflanzen verfallen wie mein Wille zu fühlen,
kein Glanz, kein Drang – nur Driften durch den Nebel,
nur Schritte in der Stadt, die meinen Namen trägt,
und doch kein Heim mehr ist, nur Stein und Schatten.

Und wenn ihr geht, so tretet nicht herein –
hier gibt es nichts, das je euch tragen könnte.
Ich bleibe hier, wo Atem sich verliert,
und warte nicht – ich bin schon längst verschwunden.

Kein Morgen folgt.
Nur das endlose Gewicht der Stille.

Nachwort:

Das letzte Schweigen

Wenn Stimmen schweigen, bricht das Dunkel auf – ein Strom aus Schatten und ersticktem Licht,
der durch die blinden Räume der Zeit sickert. Er trägt das Echo zerfallener Stunden,
die Kälte erloschener Augen, reißt aus den Fasern des Vergessens ein loses, namenloses Tuch.

Kein Laut durchbricht mehr diese Ferne, kein Schritt erinnert den Boden an Gewicht.
Die Mauern atmen nicht, sie stehen stumm, und selbst der Staub verweigert sich dem Licht.
Hier endet alles – auch der Klang des Vergehens, bis nur das Gewicht der Stille bleibt,
schwer wie der letzte Atem, der sich nicht mehr löst.

Und irgendwo, hinter dieser unbewegten Schwärze,
verharrt ein Raum, den niemand mehr betritt.